Pilzgifte...

"...Nun aber verlassen wir die Laboratorien, in denen das helle, warme Sonnenlicht mittels des Blattgrüns in den grünen Pflanzen die Gifte kocht, überschreiten die Grenzen des Reiches der Blumen und Blütenpracht und steigen aus dem grünen Blättermeer der Bäume hinunter auf den schattigen Waldboden, aus dessen sommerlich warmem, feuchtem Treibhausinnern nach schwülen Gewitternächten die Pilze in Unzahl herauswuchern. Da gedeihen nebeneinander die, trotz ihrer schweren Verdaulichkeit gar köstlichen Steinpilze und nicht weit davon die Giftschwämme, deren Genuß im Deutschen Reiche jährlich durchschnittlich 100 Todesopfer fordert. In den Jahren 1910 und 1912 starben in Preußen allein 56 und 68 Personen an Pilzvergiftung, obgleich Schulen, Behörden, Gesundheitsämter überall für Verbreitung von farbigen Pilztafeln sorgen und Merkblätter herausgeben, aus denen die Unterschiede zwischen Gift- und Speisepilzen klar ersichtlich sind....

 

...Nach eigener Erfahrung gibt es jedoch zwei Regeln, deren Befolgung vor Schaden bewahrt: Beschränkung einer feinschmeckerischen Lust auf Steinpilz, Pfifferling und Champignon und genaue Kenntnis vom Aussehen des mit ihm (Anm.: dem Champignon) so häufig verwechselten berüchtigten Knollenblätterschwammes, dieses Todbringers, der, kann man sagen, einzig und allein die tödlich verlaufenden Vergiftungen hervorbringt. Fliegenpilze ißt niemand, und Satanspilz, Giftreizker oder Lorchel können wohl, überdies auch nur als selbständiges Gericht, starke Übelkeit, heftiges Erbrechen usw. hervorrufen, nicht aber, wie der Knollenblätterschwamm in Mengen von 15 (Kinder) bis 50g (Erwachsene) in vielen Fällen (bis zu 75%) zum Tode führen"

(Dr. Otto Lange: Mineral- und Pflanzengifte, Stuttgart 1929)

Ein Text, der die Situation von vor etwa 100 Jahren darstellt. Zum Glück sind Todesfälle durch Pilzvergiftungen erheblich zurückgegangen, was zum einen das gewachsene Bewußtsein in der Bevölkerung und zum anderen die wesentlich bessere Aufklärung der Pilzsammler dokumentiert. Nach den Zahlen des Statistischen Bundesamtes kommt es seit Jahren in Deutschland (nur noch) zu durchschnittlich einem Todesfall im Jahr, doch auch dieser eine ist noch zuviel. Zudem stehen hinter diesen Zahlen eine Vielzahl von Vergiftungsfällen, die nicht tödlich verlaufen, den Betroffenen jedoch (z.B. bei einer überstandenen Knollenblätterpilzvergiftung) lebenslanges Leid bescheren können.

 

Viele Aussagen in oben stehendem Text sind nach wie vor aktuell:

 

  • Man sollte nur Pilze sammeln, die man sicher kennt! Kein noch so buntes Bestimmungsbuch, keine noch so gut gemachte Website sind geeignet, Pilze absolut sicher für den Verzehr zu bestimmen! Auch diese Website ist nicht zu diesem Zweck gemacht.
  • Pilzbestimmung von unbekannten Arten kann nur durch einen anerkannten Pilzfachmann (z.b. der DGfM) am Exemplar selbst vorgenommen werden, eine Pilzbestimmung nach Fotos oder gar am Telefon ist unsicher bzw. unseriös. Wenn man fremde Arten kennen lernen möchte, grabe man den Pilz komplett aus und transportiere ihn getrennt vom übrigen Sammelgut. Nach Bestimmung ist der Pilz in jedem Fall wegzuwerfen!
  • Über 90% der tödlichen Pilzvergiftungen werden- leider immer noch- durch Knollenblätterpilze verursacht, meist aufgrund von Verwechslungen mit eßbaren Champignonarten. Dabei sind die drei tödlich giftigen Knollenblätterpilzarten sehr leicht von Speisepilzen  zu unterscheiden und es gehört schon viel Unkenntnis und Sorglosigkeit dazu, diese tödlich giftigen Pilzarten zu verwechseln und zu verzehren!
  • Auf Verwechslungen des Grünen Knollenblätterpilzes mit ehemals als eßbar angesehenen Grünlingen wird nicht näher eingegangen, da der Grünling nach neueren Berichten als giftverdächtig angesehen werden muß. Man sollte ihn also nicht mehr sammeln und geht damit eventuellen Verwechslungen mit dem Grünen Knollenblätterpilz aus dem Weg. 

...und pilzliche Wirkstoffe

Pilze sind Lebewesen, die entwicklungsgeschichtlich eine Zwischenstellung zwischen Pflanze und Tier einnehmen; sie sind nicht (mehr) zur Photosynthese befähigt, verfügen aber auch (noch) nicht über alle Merkmale tierischen Lebens. Ihre Lebensweise, die im Allgemeinen auf der Verwertung vorhandener Biomasse basiert, führt in ihrer Biochemie zu besonderen Stoffwechselnebenprodukten (Sekundärmetaboliten), die auch, aber nicht immer, als Gifte (insbesondere Fraßgifte), in Erscheinung treten.

 

Daneben gibt es zahlreiche Farb-, Geruchs- und Geschmackstoffe, bakterizide und fungizide Abwehrstoffe und Fraßgifte. Einige dieser Substanzen sind durchaus für den Naturstoffchemiker interessant, da sie als Ausgangsstoffe für die Entwicklung neuer, alternativer Wirkstoffe in der Medizin und im Pflanzenschutz dienen können. Die chemische Industrie beschreitet aktuell einen anderen Weg: Mittel in der Forschung zu Naturstoffen werden zurück gefahren, statt dessen investiert man lieber in das Design künstlicher, quasi "auf dem Reißbrett" entworfener Molekülstrukturen und erforscht lieber deren Wirkung in vito.

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